Unterwegs durch Leid und Tod zum Leben
Wochenspruch zum Sonntag Estomihi, Sonntag vor der Passionszeit
„Seht,“ spricht Jesus auf ihrem Weg von Galiläa nach Jerusalem seine Jünger an. Zu einem Zeitpunkt, an dem sich sein erfolgreicher Lebensweg gabelt und in Leid und Tod führt. Bisher sahen seine Jüngerinnen und Jünger begeisterte Menschen, Stumme, die reden, Lahme die gehen, den toten Jungen in Nain, der wieder lebendig wurde, Kinder und Frauen, die Jesus wert achtete.
„Seht“, spricht Jesus, und lenkt ihren Blick nach Jerusalem. Er sagt, was dort auf ihn wartet.: Er wird ausgeliefert, verspottet, misshandelt, angespien, gegeißelt und getötet (Vers 32). Seine Jünger verstanden nicht, was er damit meinte. Am wenigsten verstanden sie, dass ihr Meister wieder auferstehen würde.
Wer mit Jesus gehen will, der muss bis heute mit beidem rechnen: mit überwältigenden Kirchentagen, blühender Gemeindearbeit oder auch mit fröhlichen Narrengottesdiensten jetzt an der Nahtstelle zwischen Festzeit und Fastenzeit. Zu Jesus halten bedeutet aber auch, aushalten, dass die Kirchen an Bedeutung verlieren, heißt lesen oder hören, wie kirchliche Arbeit beschimpft und ihr Eintreten für Minderheiten als abwegig, weil politisch gegeißelt wird. Menschen kehren den Gemeinden den Rücken, Kirchen schrumpfen. Die bevorstehende Passionszeit bietet uns Gelegenheit, innezuhalten und sich selbstkritisch zu fragen: Was machen wir falsch in der Kirche? Wo trifft Kritik zu? Verstehen wir den Auftrag Jesu an uns? Gehen wir noch seinen Weg?
Freud und Leid liegen auch im privaten Leben eng beieinander: eine langjährige glückliche Ehe, dann der plötzliche Tod der Partnerin. Eben noch gefeiert und Tage später Operation im Krankenhaus. Ein erfolgreiches Berufsleben geht zu Ende und plötzlich frage ich mich: Werde ich noch gebraucht? Dieses dichte Nebeneinander halten wir schwer aus und es dauert lange, bis wir verstehen, dass beides zu unserem Leben gehört.
Auch Jesu Jünger haben sein Leiden und seinen Tod nicht verstanden. Es dauerte lange, bis sie begriffen, dass in Leid und Tod unauslöschliches Leben wohnt. Deshalb spricht Jesus an dieser Wegscheide vor Jerusalem von seiner Auferstehung. Beides, Leiden, Tod und Auferstehung erfüllt sich in Jerusalem, beides ist schon vorhergesagt von den Propheten. Wir lesen:
„Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Psalm 118,22.
Jesus Christus ist der Eckstein. Darauf wird er weiter seine Kirche bauen. Und Ihre persönliche Not? Auch Sie können darauf vertrauen, dass Sie auf dem lebendigen Eckstein Jesus Christus Ihr Leben wieder neu bauen können.
„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“ (Jesaja 60,1).
Für die Gemeinde von Jesus Christus ist die Zahl ihrer Mitglieder nicht der Maßstab. Wesentlich ist, dass sie ihrem geistlichen Auftrag treu bleibt: Die Tiefe unseres Glaubens weitergeben, die im Menschensohn Jesus verborgen ist. Er ist Sohn eines Menschen und zugleich Gottes Sohn. In ihm sehen wir Gott, einen Lichtglanz, der uns und unser Leben licht und hell macht. Durch ihn und mit ihm gehen wir auf Menschen zu und laden sie ein, sind offen für alle, schaffen Räume zum Dialog für Zerstrittene, sind Stimme für Menschen, die entwürdigt werden und geben ihnen ihre Würde zurück.
Frohe närrische Tage und eine gesegnete Passionszeit.
Wolfgang K. Leuschner