Advent
Neubeginn im Kirchenjahreskreis. Immer wieder gibt es Neuanfänge in meinem Leben. Ich blicke zurück auf den Anfang von allem:
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, so beginnt die Bibel. (Gen 1 1ff.)
Richard Dawkins, Zoologe und begeisterter Atheist meint: „Wenn ein Schöpfer die Welt gemacht hätte, dann würde es sicher ganz anders aussehen. Die Welt wäre wohl perfekter.“ (aus Terra X, Sternstunden der Evolution)
Doch wo wäre dann noch Platz für unsere Kreativität, unsere Pläne, unsere Träume? Was perfekt ist, braucht keine Veränderung. Doch das Prinzip unseres Kosmos ist Bewegung, Veränderung. Selbst Albert Einstein ist trotz seiner Relativitätstheorie von einem festen Universum ausgegangen, bis er sich von Edwin Hubble‘s Forschungsergebnissen überzeugen ließ: Das Universum dehnt sich aus. Die Relativitätstheorie stimmt.



Lieber Al Nescio,
treffend geschrieben. Dahinter steht offenbar viel Wissen, von dem ich gerne ab und zu teilhaben möchte. DANKE
Die berühmte Flammarion-Illustration (die mir besonders farbig sehr gefällt) zeigt einen Wanderer, der den Rand des Himmelszelts anhebt und hinter die Kulisse schaut. Sie verdichtet das Weltbild des 19. Jahrhunderts. Ein geschlossenes Firmament, ein überschaubarer Kosmos, ein spirituelles Bühnenbild, das man mit Neugier durchbrechen kann. Damals war Wissenschaft oft noch mit Mystik verwoben. Der Himmel war eher Dekor als Dynamik. Sterne funkelten, aber sie expandierten nicht. Die Erde war bereits entzaubert, doch das Universum war es noch nicht.
Heute stehen wir an einem radikal anderen Punkt. Wir wissen, dass es kein Himmelszelt gibt, sondern Raumzeit. Keine starre Bühne, sondern ein Universum, das sich ausdehnt und beschleunigt. Hubble hat die Expansion belegt. Lemaître hat sie berechnet. Vera Rubin hat gezeigt, dass Galaxien sich schneller drehen als erlaubt, also dunkle Materie. Hawking hat die Schwarze-Loch-Thermodynamik aufgebaut und gezeigt, dass selbst die größten Kolosse im All verdampfen. Das Weltbild ist beweglich, offen und brutal indifferent gegenüber unseren Erwartungen.
Viele der schärfsten Köpfe kommen dabei ohne metaphysischen Rückhalt aus. Carl Sagan (den ch bewundere), der das Universum poetisch beschrieb. Steven Weinberg, der Standardmodelle festzurrte. Murray Gell-Mann, der die Quarks sortierte. Richard Feynman (dessen witziges Buch ich gerade lese), der die Quantenelektrodynamik tanzbar machte. Und natürlich Dawkins, der die Religion lieber als kulturelle Mutation sieht. Sie alle teilen eine Grundbewegung. Erst messen, dann deuten. Nicht andersherum.
Früher suchte man hinter dem Himmelszelt eine höhere Ordnung. Heute sehen wir hinter dem Vorhang vor allem eins. Mehr Vorhang. Ein größeres, älteres, chaotischeres Universum als erwartet. Perfekt ist daran nichts. Und das ist vielleicht die beste Nachricht. Eine perfekte Welt wäre abgeschlossen. Unsere ist unvollständig. Sie lässt Raum für Irrtum, Zufall, Entdeckung. Für Ideen, die niemand bestellt hat.
Falls irgendwo ein Schöpfer dahinter steckt, hat er jedenfalls keinen Hang zum makellosen Design. Eher zur offenen Beta-Version.