Dieser Satz ist das Ende von diesem Anfang: Die Jünger Jakobus und Johannes bitten Jesus um einen Platz an seiner Seite im Gottesreich. Die anderen Jünger beschimpfen die beiden wegen dieser Anmaßung. Doch sprachen die beiden nicht nur aus, was jeder der Zwölf insgeheim hoffte?
Jesus macht all denen einen Strich durch die Rechnung, die damals und heute als Nachfolger Jesu von Macht, Einfluss und Ehre träumen. Bei Jesus bleiben geht nur, indem wir anderen Menschen dienen und uns hingeben, wenn es sein muss, bis in den Tod.
In unserer Welt läuft es anders. An der gegenwärtigen Herrschaft in den USA sehen wir, was Jesus seinen Jüngern als Warnung vor Augen gehalten hat: Herrscher üben Gewalt aus, setzen sich über Recht und Gesetz hinweg und bedienen sich bei anderen Völkern. Reiche ergattern sich einen Platz im Machtzentrum, wollen teil haben an dieser Art von Bereicherung.
Der Menschensohn Jesus sieht seine Aufgabe anders. Er, der Gottgleiche, hielt sich nicht für zu schade, in die Niederungen unserer Welt hinabzusteigen und den Kranken, den Leidenden, den an Gott Zweifelnden, den aus der Gesellschaft Ausgestoßenen gleich zu werden. Er ging sogar so weit, sein Leben am Kreuz hinzugeben als Lösegeld für viele, wie es im Wochenspruch heißt. Früher konnte man mit Lösegeld einen Sklaven freikaufen. Schulden kann man ablösen, indem man sie bezahlt.
Wen will Jesus mit seinem Kreuzestod freikaufen? Uns! Uns, die wir uns gebunden haben an Mächte, die uns nicht guttun; uns, die wir gedankenlos in den Tag hinein leben, ohne die Folgen zu bedenken, die unser Leben und Handeln hat; uns, die wir falschen Gottesbildern nachhängen und uns wundern, warum er nicht hilft; uns, die wir verzweifeln wollen an unserem Glauben, an den Menschen, an unserer verrückten Welt.
Jesus hat in Sachen Erlösung starke Konkurrenten. Jeder Diktator macht seinem Volk vor, Heiland und Erlöser zu sein. In der Geschichte können wir die Folgen ablesen. Jesus macht uns völlig anders frei. Er herrscht nicht, er dient. Wenn Jesus vom Menschensohn redet, dann klingt darin an, dass nicht der Mensch Jesus uns dienend erlöst, sondern durch ihn und in ihm Gott selbst. Dies ist ein radikal anderes Gottesbild. Gott, der himmlische Herrscher, der Weltenlenker, zu dem alle in höchster Not rufen und vergeblich auf seine Hilfe hoffen, ist längst heruntergekommen, dient und hilft Menschen in Not. Schauen wir nicht in den Himmel, sondern auf die Erde.
Deshalb sind wir gefragt, wir Ebenbilder Gottes. Wenn wir uns von Jesus Christus befreien lassen, dann macht er uns frei, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Er macht uns zu Dienern, die sich für Gottes Auftrag in unserer Welt rufen lassen. Darauf weist Jesus seine Jünger hin. Und uns.
Eine gesegnete Woche wünscht
Pfarrer in Ruhe Wolfgang K. Leuschner