Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Johannes 1, 14b
Wochenspruch zum 1. Sonntag nach Weihnachten, 29.12.2024
Weihnachten ist mit dem Heiligen Abend nicht vorbei. In den Tagen danach entfaltet sich das Geheimnis weiter, dass Gott in dem kleinen Jesuskind Mensch geworden ist. Dieses Geheimnis will bedacht und besungen werden und schließlich Eingang finden in Herz und Sinn.
Der Evangelist Johannes zeigt uns in diesem Vers aus seiner außergewöhnlichen "Weihnachtsgeschichte": Das Besondere an diesem neugeborenen Kind erschließt sich von seinem Ende her. Nach Auferstehung und Abschied Jesu von seinen Jüngern erinnern sie sich, wie ihr Rabbi Jesus gepredigt, geheilt und gewirkt hat. Immer wieder hatten sie seine herrliche ermutigende und sich hingebende Ausstrahlung gespürt. Sie erinnerten sich, wie innig und selbstverständlich ihr Herr und Meister von seinem himmlischen Vater sprach: voller Gnade und Wahrheit.
Aber welch beschwerlichen Weg mussten sie mit ihm gehen. Sein schreckliches Ende, sein geschundener Leib am Kreuz, sein Tod, als Verbrecher gebrandmarkt. Doch selbst in seiner Schwachheit sahen sie mehr: seine Würde, sein Gehalten Sein von Gott. Dies konnte ihm kein Pontius Pilatus nehmen. Rückblickend sahen sie auch darin seine Herrlichkeit, die auch in der tiefsten Tiefe menschlichen Daseins ausstrahlen kann, weil Jesus ganz eins mit Gott ist. Vielleicht erinnern Sie sich in Ihrem Glaubensleben ebenso an solche herrliche Momente.
Simeon hält Jesus, Andrej Schischkin (geb. 1960), gemalt 2012, Öl auf Leinwand, © Andrej Shishkin Künstler
SIMEON
Zum Weihnachtsgeheimnis gehört auch die andere Richtung: nach vorne, voller Hoffnung und Geduld, dass sich einst erfüllen wird, was uns von Gott zugesagt worden ist. Für diese Haltung steht der alte Simeon, von dem im Evangelium dieses Sonntages die Rede ist.
Alt geworden hat Simeon immer geglaubt und darauf gehofft, was ihm einst verheißen wurde. Und da, eines Tages im Tempel entdeckte er Josef und Maria mit ihrem Baby im Arm. Geführt durch den Geist Gottes ging er auf die Drei zu. Er war sich gewiss: Dieses Kind ist der versprochene Retter Gottes. Als er es in den Armen hielt, hielt er auch sein Glück in seinen Händen: "Gott, jetzt kann ich in Frieden sterben, denn nun habe ich Deinen Retter gesehen“ (Lukas 2,29-30).
Auch wenn wir Jesu Herrlichkeit nicht gesehen haben; auch wenn wir noch nicht erfülltes Glück in Händen halten konnten. Auch wenn wir an dieser Welt verzweifeln wollen. Gott hat uns ein Drittes versprochen. Der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann hat es so formuliert: "Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen, unser Herr aber kommt." Darauf warten wir in Geduld wie Simeon und mit der Herrlichkeit im Herzen, die jetzt schon das Christkind ausstrahlt.
Komm gut ins neue Jahr,
Pfarrer in Ruhe Wolfgang K. Leuschner